Moin ihr Hübschen,
kaum guckt man einmal nicht auf den Kalender schon sind zwei Monate rum. Und nachdem dann heut der Giorgio in seinem griechisch-schwäbisch gemeint hat: „So viel schaffst du auch nidd“ hab ich mir gedacht, vielleicht sollte ich mal wieder einen kleinen Eintrag im Blog machen.
Aber eigentlich kann er gar nicht so klein werden, da es ja massig zu berichten gibt.
Wenn ich das richtig sehe, habe ich Ende November das letzte Mal anständig Meldung gegeben. Sehr gefreut habe ich mich über die vielfältigen Nachfragen, ob der Wein zu gut wäre, das Essen zu reichlich oder sonstige ähnliche liebgemeinte Rat- und Tatschläge. Mein allerliebstes Schwesterlein Bettina hat auch freundlich nachgefragt, woraufhin ich sie mit einer frechen Antwort bezüglich der fränkisch-hohenlohischen Eigenart lieber nichts zu sagen, da das ja völlig genüge, abgespeist habe. Beim Nachdenken irgendwann später ist mir dann eingefallen, daß ich ja auch so ein ‚Nix gesagt ist gelobt genug‘ Hohenloher bin.
Deshalb an dieser Stelle mal etwas für mich ungewöhnliches:
Ich bin glücklich und froh in einer so guten Familie aufgewachsen zu sein, die mir genug Selbstvertrauen und Lebenslust mit auf den Weg gegeben hat, um das alles was ich derzeit erlebe und im bisherigen Leben erlebt habe, zu geniessen, zwischen den guten und schlechten Momenten, die Einfluß nehmen, gut und schnell entscheiden zu können. Ja, Willy und Else, ihr seid gemeint, und auch die lieben Geschwister, derer es doch einige gibt.
Ich bin froh über das Vertrauen besonders meiner Kinder, das das alles schon gut geht und ich somit beruhigt in die Welt hinauswandern kann. Über alle meine Freunde, die mich ein Stück des Lebens begleitet und beeinflußt haben, meine Neugier in die richtige Richtung gelenkt haben und natürlich über meine Frauen, die mich getragen haben und noch tun.
So, das reicht nun, zurück zum wahren Leben in der Ferne eines uneinigen Planeten.
Nachdem ich also die ersten Heizungsprobleme beseitigt habe, bin ich erstmal wieder losgegangen an eine der Touristenattraktionen, die nur ein paar Kilometer von meiner Winterbleibe entfernt ist. Es ist eine alte venezianische Brücke aus dem Mittelalter. Unterwegs finde ich, wie mir von den Einheimischen schon angedroht wurde, Pilze von sehr guter Qualität, der sogenannte ‚red mushroom‚, in ausreichender Menge und beeindruckender Größe.
Gleich in den Rucksack damit und mit in die heimische Küche nehmen.
Überhaupt komme ich mir hier eher vor wie in Schweden, bei den vielen Pilzen und Moosen.
Nordisch anmutende Bachläufe wechseln sich mit südländischen Palmen ab. Auf dem Rückweg finde ich in einem sehr engen, unzugänglichen und steilen Seitental eine Signatur.
Ich vermute, daß dies die Signatur des Naturburschen aus dem Teeladen in Arsos ist, und beschließe sofort meine Signatur dazu in den Stein zu kratzen. Ab heute wird diese an den aussergewöhnlichen Punkten zu finden sein. Ich habe die Klettertour schwer unterschätzt und schaffe es gerade noch so, obwohl ich endlich ohne Gepäck unterwegs sein kann, vor dem Sonnenuntergang zumindest die steilsten Pfade zu verlassen. Spät und erschöpft erreiche ich die durch Sonne und dunkle Vorhänge gut warme Wohnung.
Zufrieden wandere ich die nächsten Tage so in der Gegnd herum. Noch immer finde ich lecker süße Weintrauben und wundere mich über die Gegend, irgendwo zwischen Schweden und Schweiz.
Auch ansonsten werde ich immer wieder überrascht, ob vom Gemüsebrot, mit dem mich die Vermieterin bei Bezahlung der ersten Miete ausgestattet hat, 1000 Meter hohen Bergen, oder sympatischen Menschen, wie Anna Zannetou, der ich in Mandria begegne. Sie betreibt dort ein Kafeneion, das sie auch als Atelier und Ausstellungsraum für ihre Bilder und Ikonen nutzt.
Sie erklärt mir, daß zur Herstellung der Ikonen altes Holz verwendet wird, das mit einem Leim aus Hasenknochen erstmal versiegelt wird, dann mit einem sehr fein gemahlenen, weißen Kalkstein grundiert wird. Daraufhin werden die Farben und das Blattgold aufgelegt. Sehr interessant zu sehen. Dann erzählt sie mir beim Kaffee mit sehr feinem Gebäck noch eine wunderschöne Anekdote aus Limassol. Dort sind um 1960 zwei bekannte Bettler, Arkondis und Kasim, ansässig. Der eine arbeitet in einem Teil der Stadt, der andere im anderen und wie es sich für jeden Angehörigen einer Berufsgruppe gehört, hat man natürlich ein gesundes Konkurrenzdenken. Als dann jedoch Arkondis eines Tages krank wird, entschließt sich Kasim diesen zu besuchen. Arkondis empfängt ihn jedoch sehr ungehalten und beschimpft Kasim, daß er nun in seinem Revier gebettelt habe. Kasim ist klug und antwortet ihm, daß er alles Geld, das er unterwegs erbettelt hat natürlich nur für ihn genommen habe und gibt das Geld an Arkondis. So ist das mit der Berufsehre. Gestärkt und weiser gehe ich weiter, sehe schöne Fahrzeuge, die die Nähe zum Orient nicht leugnen können.
Ich gehe weiter nach Phini zum Einkaufen und dann zurück. Eine meiner weitesten Wanderungen mit 27 km in 7 Stunden 20 Minuten mit 1931m Höhenunterschied. Ja, jetzt dürft ihr mal klatschen.
Den Dezember verbringe ich weitgehend mit der Erkundung der Umgebung, Erntehilfe, Treffen seltsamer Gestalten, Finden neuer Geschäftspartner, Bau eines Kamins und dem Erkunden der lokalen sinnlichen Genüsse.
Am 21. Dezember wird St. Lucia gefeiert, etwas kleiner als in Schmalfelden, auf dem Balkon und auch nicht so kalt. Weihnachten sind wir im kleinen Kreis, Giorgio, Marina und ich gar selbst.
Es ist weiterhin Pilzzeit und der Speisezettel entsprechend gestaltet. Bei den Pilzsammelaktionen finde ich nun immer öfter blühende Frühjahrsankündigungen, obwohl es noch gar nicht richtig Winter war.
Im neuen Jahr bekomme ich Besuch, ja die liebe Sabine, und finde es toll alles zeigen zu können. Sie bringt auch was schönes mit, Verschiebungen im Weltenkreis, ein supergutes Messer aus Hauischer Produktion und deutsches Wetter. In der zweiten Nacht und den gesamten folgenden Tag giesst es wie aus Kübeln.
Wir sitzen gemütlich zuhause und schauen dem Treiben zu. Die Berge sind voll Schnee und das Meer tobt am nächsten Tag noch ordentlich. Und weil wir so unglaublich abenteuerlustig sind, fahren wir bei Eis und Schnee über einen einspurigen Weg durch das Gebirge nach Mylikouri. Das ist so ziemlich der automäßig einspurigste Pfad, den es gibt. Die normale Straße hat das Unwetter am Tag vorher einfach weggeschwemmt, es ist nur noch die Brücke vorhanden. Zum Glück haben wir eine fränkisch-hohenlohische Winterausbildung und schaffen die Fahrt über die höchsten (1437m) Gebirgsstraßen Zyperns zwar mit massig Verspätung, aber dafür zufrieden.
Wir verbringen noch ein paar schöne, faule Tage mit Wanderungen. Sabine wird von einem zugegebenermaßen sehr charmanten Geschäftspartner als Göttin bezeichnet, weil sie den ersehnten Regen gebracht hat. Die Tage sind recht locker und gemütlich, bis wir aufgrund einer lokalen Besonderheit kein Kerosin mehr für den Brenner kriegen, dem, vor allem wenn keine Sonne scheint, eine ziemlich wichtige Position zuteil ist. Samstags ab 15:00 gibts bis Montag nichts, nada, null, und also probieren wir halt mal Diesel. Keine gute Idee. Es stinkt und raucht trotz zusätzlicher Abdichtung und das Saugflies verbrennt. Böse Falle, ausgerechnet jetzt, wenn’s wirklich kalt ist.
Am Montag morgen fliegt Sabine wieder zurück und prompt wird das Wetter besser. Schade für sie, daß sie ausgerechnet die härtesten Tage des Jahres erlebt hat.
Nach einer unglaublich langen Rückreise (8 Stunden) vom Flughafen setze ich mich in der Endstation in Arminou erstmal ins Kafeneion. Da der letzte Bus aus Paphos immer dorthin fährt, kennt man mich bereits. Eine Dame, die ich jedesmal treffe, wenn ich über Arminou anreise, sitzt beim Kartenspielen und erzählt den Mitspielern, daß ich öfter mal da rüber laufen muß. Prompt bietet mir Michael an, mich über das Tal zu fahren. Er muß nur noch fertig karteln. Weil das aber länger dauert, weil keiner so richtig gewinnt, gibt er mir Kaffee aus, weil ich ja jetzt wegen ihm warte. Ich mag die Zyprioten. Trotzdem ist es kalt in der Bude. Erstmal Ersatzteile besorgen und einbauen, dann gehts wieder. Allerdings wird es jetzt auch wärmer und heute ist jetzt schon der zweite Tag nacheinander mit 20 Grad. So kanns bleiben. Den restlichen Januar bin ich mit Bäumeschneiden, Holzhacken und der Ernte von Zitrusfrüchten und Avocados beschäftigt.
Ausserdem habe ich zwei Mandelbaumgärten mit 40 Bäumen zur Pflege, die ich noch schnell fertig machen muß, da die Mandeln schon das Blühen anfangen.
Ihr seht also, alles gut, auch wenn sich ein paar von euch schon Gedanken gemacht haben. Hier ist alles im grünen Bereich.
So jetzt noch ein paar Telefonate und dann ab in die Heia.
Ach so, wegen dem Titel des Eintrags, ich glaube, daß es mir hier genügend gefällt, um nicht mehr in Angies wundersamen Zoo zurückzukehren. Das Fernsehen ist zwar auch nicht besser, aber wir haben keine so häßlichen Fratzen, die man dauernd sehen muß.
Also in diesem Sinne, hollaraiduljöh
Wolfgang
P.S. Sou iss worn, etz müss mer sehn, daß weitergeht